Hallo Herr Söder!

Offener Brief an Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern

Bis 2035 Verbrennungsmotoren abschaffen – oder doch nur das Verbrennen fossiler Kraftstoffe?

von Christian Nikolai, Raumlenker

Lieber Herr Söder,

um eines voraus zu schicken: 

Ich fand Sie immer gut! Als Typ, als Pragmatiker mit Ecken und Kanten, als Shrek und Drag Queen –  vor allem als politischen Silberrücken ohne jede Spur von Angst vor dem politischen Gegner. Ich war nicht immer einer Meinung mit Ihnen – egal, ob es um Kruzifixe, den Umgang mit öffentlich-rechtlichen Medien oder die Beziehungen zu den anderen, nicht-bayrischen Bundesländern ging. 

Sie haben sich auf jedes Streitgespräch eingelassen und werden sogar – nach FJS – als erster, ernstzunehmender CSU-Mann im Rennen um die Kanzlerkandidatur gehandelt. Wenn Sie das für Deutschland tun würden, so meine Überlegung, was Sie – als Franke – stets für Bayern fordern und durchsetzen, kann es unserem ja-doch-irgendwie-ein-wenig-gemeinsamen Heimatland Deutschland in Zukunft gar nicht so schlecht gehen, sollten Sie irgendwann Angela Merkels Schreibtisch in der Waschmaschine erben. So dachte ich – bis gestern!

Denn erst war ich überzeugt, jemand hätte Sie aus Versehen mit Ihrem Landsmann Toni Hofreiter verwechselt, als mir aus dem Radio entgegenträllerte „Markus Söder möchte bis 2035 den Verbrennungsmotor verbieten lassen!“. …war aber nicht so – Sie haben das wohl echt gesagt. Ich habe mir erstmal in den Arm gekniffen und anschließend Ihre Vita gegoogelt, um nach Ihrer Expertise im Bereich Automotive, oder wenigstens einer artverwandten Branche zu suchen; konnte aber leider nichts finden. Also habe ich mir vorgenommen, dass mein Kater Fred bis 2035 das Fliegen zu lernen hat. 

Sie finden das an den Haaren herbeigezogen? Ich ehrlichgesagt Ihre Aussage auch, denn wir stehen am Anfang eines nie gekannten Strukturwandels mit vielen, offenen Fragen, die bisher unbeantwortet blieben. Von Ihnen als Landesvater des größten und zweitbevölkerungsreichsten Bundeslandes muss ich allerdings mehr Weitblick erwarten können, als ich dies von Toni Hofreiter, „BaFin-Habeck“, oder „Kobold“-Baerbock erwarten würde. Schaut man nach Baden-Württemberg, darf man sogar davon ausgehen, dass die Grünen Sie eines Tages rechts überholen könnten und sich in einer möglichen Koalition gegen Ihren Plan stellen werden. „Grüne blockieren grünen Vorstoß von Kanzler Söder“ klingt irgendwie absurd, finden Sie nicht?

Davon abgesehen: Wie soll das in der Praxis funktionieren, wenn Bayern noch nicht mal geklärt hat, wie der Strom aus Windrädern an der Nordseeküste in den Freistaat transportiert werden soll? …und wenn er dann einmal da ist, wie soll er gespeichert und vor allem durch ebenfalls „sauberen“ Strom für die Elektromobilität ohne Atom- und Kohlekraftwerke ergänzt werden? Alle deutschen Windparks, die 2035 möglicherweise existieren, werden bei Weitem nicht ausreichen, die kilometerfressenden Außendienstler, Paketzusteller und Tagespendler mit Strom für ihren Tesla zu versorgen. Das alleine in Bayern. Bundesweit sieht das Bild leider noch dramatischer aus.

Meinten Sie vielleicht, dass es im Rahmen der gewünschten E-only-Mobilität legitim werden könnte, Strom aus Tschechien und Polen zuzukaufen, damit am Stachus frei durchgeatmet werden kann? Dieser Strom wird aller Voraussicht nach aber nur auf dem Papier aus Photovoltaikanlagen, Wind- und Wasserkraftwerken kommen. Im gleichen Maße, wie Polen und andere Osteuropäische EU-Länder sich an der fairen Verteilung Geflüchteter innerhalb der EU beteiligt, werden dort auch die Infrastrukturen in Richtung regenerativer Energien umgestellt. 

Bemerkenswerterweise hat Kalifornien das gleiche Enddatum für den Verbrenner gesetzt. Wäre es nicht klug, erstmal abzuwarten wie sich die „frohe Botschaft“ dort in den kommenden Jahren entwickelt und nebenbei evtl. einen eigenen Lösungsansatz befeuert vom deutschen Innovationsgeist und seiner einzigartigen Ingenieurskunst zu forcieren? Neben Elektro und Brennstoffzelle gibt es noch andere, bessere und schnellere Alternativen. … Vielleicht habe ich den in Ihrer Aussage versteckten Hinweis „Verbrennen von fossilen Kraftstoffen“ ggf. doch richtig verstanden, der bedeuten könnte, dass der Verbrenner überleben darf, solange er keinen fossilen Kraftstoffe verbrennt.

Wie auf einer zünftigen, fränkischen Kerwa sollte nicht jeder vorhaben, mit derselben Bauerstochter zu tanzen – egal, die wievielte Halbe er intus hat. Es gibt garantiert eine Hübschere, die vielleicht sogar noch cleverer ist!

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