von UWE MAHLA
Morgen, am 1. April würde Paul Rosche 87. Der als „Nocken-Paul“ weltweit in der Motorsportszene berühmte BMW-Motorenkonstrukteur starb am 15. November 2016 und hinterließ ein unglaubliches Erbe an Rennerfolgen mit seinen Motoren. Ob mit vier (Formel 1, Formel 2, M 3), sechs (3.0 CSL, M 1), acht (M 3 GTR) oder zwölf (V 12 LMR, McLaren F1) Zylindern – sie alle entstammten in der jeweiligen Version Paul Rosches Ingenieursarbeit und machten Rennprofis auf aller Welt zu Meistern ihres Fachs.
Von nationalen über Europameister bis hin zu Weltmeistern (Roberto Ravaglia als Tourenwagen- und Nelson Piquet als Formel-1-Champion). Und Paul Rosche, einmal nicht als PS-Magier, sondern als Mensch?Niemand hat seine Wesensarten in kürzerer Form besser ausgedrückt als Gordon Murray, Paul Rosches kongenialer Freund, mit seinen Worten zur Trauerfeier:
„Paul was a good friend, a gentleman and a genius. I am privileged to have known Paul and to have worked with him on so many successful projects. Paul always attracted deep respekt from everyone that he came into contact with, His legacy of innovation and his work at BMW is and always will be an important piece of automotive history, but much more importantly we will remember Paul for his humor and his friendship.“ (Wegen der feinsinnigen, liebenswerten englischen Wortwahl verbietet sich eine Übersetzung.)

Ich selbst hatte das unsägliche Glück, einige Jahre Seite an Seite mit Paul Rosche zu arbeiten. Dazu gehörten auch Aufträge wie dieser: „Gehn´s, Mahla, schaugn´s amoi, wo´s da aan gscheiden Biergarten gibt.“ Natürlich fallen mir jede Menge Begebenheiten ein, bei denen Rosche seine ruhige, humorvolle Lebensweise, seine natürliche Autorität, seine Bodenständigkeit und vor allem seine Menschlichkeit einbrachte und so den Erfolg absicherte.

Ein kleines Beispiel:Der ganz große Triumph lag gerade mal ein halbes Jahr zurück: Nelson Piquet hatte mit Paul Rosches Wundermotor sensationell die Weltmeisterschaft gewonnen und war damit erster Turbo-Weltmeister der Formel-1-Geschichte geworden. Mit entsprechend hohen Erwartungen startete man in die Saison 1984. Doch es folgte große Ernüchterung, riesiger Frust. Die ersten sechs Rennen gingen ins Land , und die Boliden mit den Rosche-Motoren sahen nicht ein einziges Mal an bedeutender Stelle das Ziel – da waren auch die zwei Pole-Positions nur schwacher Trost. Die Brabham fielen, zwar meist an vorderster Front kämpfend, mit Defekten im Umfeld des Motors aus. Sprichwörtliche Pfennig-Defekte machten Rosche Sorgen: „Wie konnten Teile, mit denen wir letztes Jahr alle geschlagen haben, plötzlich schlechter sein?“ Genauso plötzlich kam die Wende.

Piquet fuhr in Montreal vom Start bis ins Ziel als Erster. Ob Rosche innerlich wallte vor Glück, wird keiner genau sagen können, die Freude stand ihm zwar im Gesicht, aber er war beherrscht: „Hab´ ich´s Euch nicht gesagt.“ Das gleiche Bild, nur eine Woche später in Detroit: Pole für Piquet, Sieg für Piquet! Jetzt hatte Rosche ein neues Problem. Alle Welt wollte von ihm wissen, welche Magie er da angewandt habe. Und Rosche liebte nichts weniger als die große Show vor den Fernsehkameras und Mikrofonen.
Ich – als sein Pressesprecher – weilte währenddessen daheim im Kreis der Familie. Es war jenes Jahr 1984, in dem der größte und schwerste Arbeitskampf seit dem Bestehen der Bundesrepublik ausgefochten wurde. Die Metallindustrie wird 13 Wochen bestreikt. Um Arbeitsplätze zu schaffen, fordern die Gewerkschaften die Einführung der 35-Stunden-Woche. Bei BMW standen in jenen Wochen nicht nur die Bänder still, sondern auch im Vierzylinder war die Arbeit eingestellt. In meiner beschaulichen heimischen Freizeit holte mich ein Anruf ein, der Vertriebsvorstand Hans-Erdmann Schönbeck am Apparat. „Also, Herr Mahla, Sie packen jetzt schnellstens ihre Siebensachen und fliegen nach Dallas!“ Ich: „Ja, aber… Arbeitskampf-Situation?“ Der sonst so noble Herr Schönbeck etwas ungehalten: „Jetzt machen Sie schon. Rosche hat Sie angefordert, er kann vor lauter Journalisten-Anfragen nicht mehr arbeiten.“ Ich habe ihn oft dabei erwischt, wie er mich verschmitzt beobachtete, wenn ich gerade in meinem ärmlichen Technikenglisch vor laufenden Kameras einem brasilianischen oder einem japanischen Fernsehteam zu erklären versuchte, warum die Rosche-Motoren das Gelbeste vom Ei seien.
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